Orgelmatinée
Sonntag, 25. November 2018, um 11:15 Uhr
Kantor Gernot P. Fries lädt ein zur Orgelmatinée direkt im Anschluss an den Gottesdienst zum Totensonntag.
Die Matinee beginnt mit der Fantasie c-Moll BWV 562 von Johann Sebastian Bach. Es ist ein 5-stimmiges intensives und dichtes Werk, das in seiner sanften Schwermütigkeit entfernt an die Eingangschöre der großen Bachschen Passionen erinnert. Die anschließende ebenso meisterhaft begonnene Fuge bricht allerdings nach 27 Takten ab. Sie wurde von Bach nicht vollendet. Und damit erinnert sie an die große menschliche Schwäche, unter dem Motto »das mache ich irgendwann nochmal« Dinge so lange aufzuschieben, bis endlich der Tod das letzte Wort spricht und dem damit zum Fragment degradierten Werk die Vollendung verwehrt: »Darum wachet! Denn Ihr wisset weder Tag noch Stunde.«
Im Jahr 2002 wurde meine Partita über den Choral »O Heiland, reiß die Himmel auf« fertig gestellt. 1996, in einer Zeit der Unsicherheit eines noch seinen Lebensweg Suchenden begonnen, bedurfte es jedoch erst der unfassbaren weltgeschichtlichen Ereignisse des beginnenden neuen , Jahrtausends, um den Anstoß zur Vollendung zu liefern. Das seinerzeit auch von der Fachwelt anerkannte Ergebnis präsentiert sich allerdings überaus den Umständen entsprechend, unter denen es entstand. Es führt ausgehend vom Aufbegehren gegen soziale Ungerechtigkeit durch die tiefsten Niederungen einer menschlichen Seele und gipfelt im ohnmächtigen Aufschrei nach Erlösung »vom Elend zu dem Vaterland«.
Damit ist die Brücke zum Beginn des neuen Kirchenjahres geschlagen. Und die sanften, zarten, lieblichen Töne des absolut vollendeten Werkes »Praeludium und Fuge G-Dur« op. 37, 2 von Felix Mendelssohn-Bartholdy weisen nunmehr weit voraus auf das, was da kommen wird. Da verschwinden die bangen und verstörenden Gedanken an Tod und Vergänglichkeit. Die Kränze auf den Gräbern werden erleuchtet durch die neu entzündeten Kerzen des Advents. Und aus dem Totensonntag wird der Ewigkeitssonntag.
Gernot P. Fries