Ostern
Neben allem anderen, vor allem der Auferstehung Jesu Christi von den Toten und der Hoffnung, dass auch der Horizont unseres Lebens so weit sein wird, neben dem loslegenden Frühling, den Ostereiern und allen Dekorationen und Bräuchen und wunderbaren Chorälen gefällt mir an Ostern sehr, dass es immer wieder auf ein anderes Datum fällt. Kein 08/15-Termin. Ein Termin, der sich bewegt – so als ob er selbst lebendig wäre. Ein Termin, der gar nicht so einfach zu berechnen ist – ja, Ostern fordert den Gripps heraus. Das mag ich sehr.
Also, das geht so: Erst muss man den Sonnenstand sorgfältig beobachten, und wenn Tag und Nacht genau gleich lang sind, also beim Frühlingsanfang, beginnt man den Mond zu beobachten – man wartet auf den Vollmond. Und wenn der dann hell und klar am Himmel steht, dann nimmt man den nächsten Sonntag, und dann ist Ostern. So hat es das Konzil zu Nicäa im Jahr 325 festgelegt. So bleibt das Osterfest immer in der Nähe des jüdischen Pessachfestes. Ein guter Hinweis für unsere Zeit, dass wir Christenmenschen immer in der Nähe und an der Seite unserer jüdischen Geschwister bleiben.
Der Frühlingsanfang liegt meist auf dem 20. März (es kann auch mal der 19. oder 21. sein). Aber wenn man dann erst anfangen würde, den Mond zu beobachten, dann könnte man schlecht planen. Also wäre es gut, wenn man den Termin vorausberechnen könnte – vielleicht sogar ohne eigene Sternwarte – hat sich der Mathematiker Carl Friedrich Gauß gesagt und hat die »Osterformel« entwickelt. Die hat es für uns Normalsterbliche aber auch ganz schön in sich.
Und deshalb gab es für so ganz einfache Pastoren in der alten Agende eine großartige Tabelle, in der auf einer einzigen Seite alle Ostertermine von 1700 bis 2100 aufgelistet sind. Und wie man in dieser Tabelle unschwer ablesen kann – und auch schon vor langer, langer Zeit ablesen konnte, als man solche Fragen noch nicht googelte – fällt Ostern in diesem Jahr auf den 31. März.
Wir feiern das Osterfest um 8:00 Uhr früh (Achtung extrafrüh – Zeitumstellung!) auf dem Fischbeker Friedhof und dann um 11:00 Uhr in der Kirche. Was in diesem Jahr besonders ist: Der Predigttext stammt aus dem hebräischen Testament der Bibel. Aber das ist doch eine Geschichte, die sich lange vor der Auferstehung Jesu zugetragen hat! Ja, stimmt. Aber wie schon gesagt: Wir bleiben in der Nähe und an der Seite unserer jüdischen Geschwister und hören mal zu, und machen uns mit 1. Samuel 2 über Ostern ein paar Gedanken. Das lohnt sich. Und was für Ostern gilt, gilt für das ganze Jahr und das ganze Leben, beim Wählen und Reden und wenn es sein muss beim Widersprechen: Glauben und Antisemitismus passen nicht zusammen.
Und noch etwas ganz Persönliches: Irgendwann wurde mir bewusst, dass das Pfarrerdientgesetz für meinen Geburtsjahrgang vorsieht, dass ich mit Ablauf des Monats, in dem ich das 66. Lebensjahr vollende, in den Ruhestand versetzt werde, dass also der 31. März 2024 mein letzter Tag im aktiven Pfarrdienst sein wird. Und als ich dann in der Ostertermintabelle entdeckte, dass dieser Tag ausgerechnet Ostersonntag sein wird, da habe ich mich wirklich gefreut.
Ihr kennt meine Art, den Glauben zu denken, nach so vielen Jahren gut genug, um zu wissen, dass ich in solchen Zufall kein »Zeichen« hineingeheimnisse. Aber ich mag auch Zufälle. Und dass nun das Pfarrerdienstrecht meinen Geburtstag und damit meine Lebensarbeitszeit mit dem Sonnenstand und dem Mondeslauf und dem Sonntag und vor allem mit dem fröhlichen, beweglichen und überaus lebendigen Osterfest synchronisiert, das ist einfach großartig.
Ist doch klar: Da halte ich meine letzte Predigt dieser Lebensphase.
Und eine Woche später am 7. April wieder um 11 Uhr fängt eine neue an: Dann werde ich richtig feierlich verabschiedet werden. Und wenn ich die Zeichen und Geheimniskrämereien richtig deute, dann sollen wir uns alle auf diesen Tag freuen.
Ihr und Euer Pastor Gerhard Janke